LUKAS JANITSCH

Lukas Janitsch | Petra, 2019

Mit diesem Werkzyklus präsentiert Lukas Janitsch eine von ihm entwickelte Form des Steinschnitts, die durch das Hinzufügen neuerer Materialien, wie Polyester und der Kombination historischer Kunsthandwerkstechniken, wie opus sectile und commesso di pietre dure eine Neuinterpretation eben dieser darstellt.
Auf der Suche nach Gesteinsmaterial mit oft kulturhistorischer Bedeutung durchkämmte Janitsch in den letzten zwei Jahren die verlassenen Steinbrüche, Bergmassive und entlegensten Flüsse Österreichs.
In seinem Arbeitsprozess wird Janitsch vom Material geleitet, erst durch oftmaliges Schleifen und Polieren zeigt der Stein seine Fülle an Farben und Strukturen, Motive entstehen aus Assoziationen und Reaktionen und das Ergebnis spielt mit den ästhetischen Erwartungen die an Stein als kaltes, anorganisches Material gestellt werden.

Lukas Janitsch | das ahnt keiner, 2016
Text von Nina Lucia Groß and Raphael Dillhof

„Wie du warst! Wie du bist! Das weiß niemand, das ahnt keiner!“: bereits die erste Zeile von Richard Strauss‘ Rosenkavalier antizipiert die im Stück verhandelte Thematik der Zeitlichkeit, fasst die komplexe Beziehung zwischen dem Verstreichen und der Erfahrung von Zeit an sich in Worte. Auch Lukas Janitsch‘ Blick auf die Wahrnehmung von Zeitlichkeit setzt in der Vermittlung von Vergangenheit an: altmodisches Porzellan mit zarten Streublumen, Kaffeebecher mit Zeichentrickmotiven und Wimmelbilder, die den kindlichen Blick für den Wechsel der Jahreszeiten schulen; die ausgestellten Gegenstände verweisen in das Reich der Erinnerungen.

Auch wenn diese Zusammenstellung zunächst persönlich und privat zu sein scheint, sind die Gegenstände und Motive vielmehr archetypische Sinnbilder, Symbole einer glücklichen Kindheit. So sind die Objekte auch nicht das Ergebnis jahrelanger Sammlungstätigkeit, keine ureigenen Schätze aus dem persönlichen Fundus, sondern vom Künstler selbst fabriziert, akribisch von Hand bemalt. Auch im Motivischen findet eine unheimliche Verschiebung statt, die sich erst auf den zweiten Blick offenbart. Die so idyllisch wirkenden Kaffeetassen zieren nicht etwa gemeine Wiesenblumen, sondern gefährdete, fast ausgestorbene Arten; die botanischen Abbildungen entstammen der roten Liste für besonders bedrohte Pflanzen. Die Tiermotive der Zeichentrickserie: keine harmlosen Spielgefährten, sondern Protagonisten einer dystopischen Fabel. „Als die Tiere den Wald verließen“ handelt von der Zerstörung des Waldes durch den Menschen und der anschließenden Flucht der Tiere.

Der Sammlung, fingierter Nachhall einer verklärten Kindheitsidylle, die sich im kollektiven Gedächtnis durch mediale Überlagerung fest eingeschrieben hat, stellt Lukas Janitsch authentische historische Objekte gegenüber. Es sind fossile Knochenstücke, dem Archiv des Naturhistorischen Museums entnommen, die auf Buntglasplatten gelegt sind. In den Überresten von eiszeitlichen Tierarten findet sich die in den Tassen formulierte Bedrohung bereits eingelöst: restlos ausgestorben sind Steppenbison, Mammut und Höhlenbär, deren Leben und Geschichte nun konserviert, aus kleinsten Fragmenten rekonstruierbar scheint. Auch die Glasplatten sind Bruch- und Reststücke: Teile historischer Buntglasfenster, durch Verschnitt erzeugte Negativformen, die seit gut hundert Jahren im Keller einer Wiener Kunstglaserei lagern und auf ihre Gegenstücke in Kapellen und Kirchen verweisen.

Mit Bauklötzen zu Plattform-artigen Formen zusammengestellt, finden sich die musealen Exponate in ein labiles Balancespiel überführt: die Signifikanten, die durch ihre Historizität als Bruchstücke längst Verschwundenes sichtbar machen, werden, losgelöst von jeder text- und bildlichen Zuschreibung, ihrer archäologischen Funktion enthoben, zu abstrakten Formen. Das „Es-ist-gewesen“ verliert damit seinen Imperativ und wird zu einem flexiblen Möglichkeitsraum, während die Zeit selbst als Sonnenlicht durch die Buntglasscheiben wandert, sich als gefärbter Schatten über die Souvenirs und Relikte legt.

Zwischen Porzellantassen und Knochenstücken, zwischen fingierten Zeugen der Vergangenheit und authentischer Historizität spannt Janitsch so ein enges Geflecht, das die Funktion der Erinnerung zwischen Täuschung und Bewahrung erforscht. Wenn im sich Verlieren in den Mikro-Erzählungen der Wimmelbilder und den Abenteuern der Zeichentrickfiguren die Zeit zur unfassbaren und dehnbaren Größe wird, so ist das Thema des Rosenkavaliers Octavian, das zu jeder Stunde ertönt, der notwendige Takt, der das Verstreichen der Zeit erst fassbar macht.

Ausstellung 2014

„Synanthropie“ bezeichnet in der Biologie die Anpassung wild lebender Tier- oder Pflanzenarten an den menschlichen Siedlungsbereich. In seiner Ausstellung interpretiert Lukas Janitsch diesen Begriff der Biologie in zwei Richtungen: Einerseits finden verachtete und übersehene Organismen wie Moos, Algen und Schimmel Eingang in den Galerieraum, werden zu Form, Farbe und Bild. Andererseits wird die von Konsumierbarkeit und Nostalgie geformte (massen)kulturelle Inszenierung von Natur als Form der Anpassung, des Passend-Machens verstanden und in Malerei, Fotografie und Guckkästen erfahrbar gemacht.

http://lukasjanitsch.com/

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geb. 1989 im Burgenland, Österreich
seit 2008 Studium Malerei an der Universität für angewandte Kunst Wien

Ausstellungen (Auswahl 2010 - 2019)

2019
Petra, unttld contemporary, Wien (A) (solo)
Groupshow Austrian Cultural Forum London: OUR WAYS OF LIFE, London (GB)
OCEC – Vom Kristallin bis heute, Landesgalerie Burgenland, Eisenstadt (A)

2017
"Only human", Austrian Cultural Forum, London, Vereinigtes Königreich (GB)

2016
Das ahnt keiner, unttld contemporary, Wien (A) (solo)
past perfect simple, 2025 e.V., Hamburg (D)

2015
Biennial of Young Artists from Europe and the Mediterranean, Mailan (ITA)
Caspar-David-Friedrich-Galerie, Greifswald (D) (solo)
sphere/01, Mohsen Gallery, Teheran (IR)

2014
Synanthrop, unttld contemporary, Wien (A) (solo)
Willkommen im Paradies, Landesgalerie Burgenland, Eisenstadt (A)

2013
Aufstellung, kuratiert von Hans Schabus, Skulpturinstitut, Wien (A)
in defence of the poor image, hufak off space, Wien (A)

2012
The Essence, Künstlerhaus Wien, Wien (A)

2011
Junger Wein, MAK – Museum für Angewandte Kunst, Wien (A)

2010
The Essence, Künstlerhaus Wien, Wien (A)

Auszeichnungen (Auswahl)

2015 Caspar-David_Friedrich Preis
2013 „Stipendium der Anni und Heinrich Sussmann Stiftung“
2010 „Burgenländischer Jugendkulturpreis“